Eine Oberflächlichkeit im Umgang mit wesentlichen Fragen des Lebens und die zunehmende Bedeutung von Emotionen anstelle von Fakten in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion, aktuell durch das Wort des Jahres 2016 „postfaktisch“ im Gespräch, betreffe auch zunehmend die Kirchen, stellte Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Caritas Würzburg, bei der Segnung einer Gedenktafel „Von der Synagoge zur Kirche“ in Mainstockheim fest. Anlass war der 60. Jahrestag der Kirchweihe der katholischen Kirche St. Gumbert, von 1836 bis 1940 jüdische Synagoge.
Der Eindruck nicht weniger Menschen sei, dass die Kirche – besser gesagt: die Akteure in der Kirche – heute vor allem mit sich selbst und ihren Strukturen beschäftigt sind und nicht merken, dass sie deswegen in der Gesellschaft allmählich überflüssig werden. Das sieht der Caritas-Chef in seiner Predigt jedoch nicht als neue Erscheinung. Auch im 8. Jahrhundert vor Christus gab es eine Lebensweise, die den Propheten Jesaja auf den Plan rief. Die Menschen, die in Gefahr waren, sich an die Gegebenheiten zu gewöhnen, nämlich ein Leben ohne Gott zu gestalten, ermutigte er zu einer größeren, weiteren, bessern Sichtweise.
Ist es nicht gerade heute wieder notwendig, dass Menschen mit prophetischer Kraft auftreten, so wie z.B. Papst Franziskus, und auf den Weg zu einem erfüllten Leben hinweisen, den uns Gott mit seiner Botschaft weist? Die Menschen sollen im Christentum Rat und Orientierung finden.
Das sei auch der Auftrag dieses Gotteshauses, das früher jüdische Synagoge und heute christliche Kirche ist. Die von Pater Meinrad aus Münsterschwarzach gestaltete künstlerische Botschaft erinnere an die Verbundenheit von erstem und zweitem Testament, an den Bund den Gott mit dem Volk Israel geschlossen und den er durch Jesus mit dem Volk Gottes erneuert hat und den Auftrag, in SEINEM Geist die Welt mitzugestalten.
Wenn von unseren christlichen Gemeinden klare und ermutigende Botschaften in der Sorge um Kinder, Familien, alte Menschen, in all den caritative Bemühungen um schwache, hilfs- und pflegebedürftige Menschen, in unserem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, um ein friedvolles Miteinander in unserer Gesellschaft wie in der weiten Welt für das Leben ausgehen, dann werden sich die Menschen den Kirchen wieder zuwenden.
Diakon Lorenz Kleinschnitz, Vertreter des Seelsorgeteams, erinnerte bei seiner Begrüßung an die Anfänge der katholischen Gemeinde nach dem zweiten Weltkrieg. Viele Flüchtlinge, davon viele katholische Christen, kamen damals nach Mainstockheim, fanden bei ihrer „Herbergssuche“ Aufnahme und konnten eine eigene Gemeinde gründen. Das gelte es, zu feiern. Domkapitular Bieber segnete am Ende eine jüdisch-christliche Gedenktafel „Von der Synagoge zur Kirche“ mit dem wörtlichen Text „Also gehören alle, die glauben, zu dem glaubenden Abraham und werden, wie er, gesegnet“. Die Tafel wurde von P. Meinrad Dufner aus Münsterschwarzach gestaltet und neben dem Eingang der Kirche außen befestigt. Bisher gab es nur eine Hinweistafel vom Bezirk Unterfranken auf die ehemalige jüdische Synagoge.
Die Dankesworte sprach Kirchenpfleger Klaus Brönner. Klaus Hofmann, Vorsitzender des Filialrates, übergab ein paar Geschenke. Unter den Gästen der Jubiläumsfeier war auch Bürgermeister Karl-Dieter Fuchs mit einigen Gemeinderäten sowie eine Delegation des Kirchenvorstandes der evangelischen Schwestergemeinde St. Jakob.